Ich berichte vom aktuellen Beschluss des Landessozialgerichts (LSG) Berlin-Brandenburg vom 19.05.2025 zum Aktenzeichen L 18 AL 28/25 B ER, der in zweierlei Hinsicht von Interesse ist:
Formulierung eines Antrages auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Versagung der Verlängerung der Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis:
Bei der Beantragung einstweiligen Rechtsschutzes gegen die Versagung der Verlängerung der Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis (ANÜ-Erlaubnis) kommen zwei unterschiedliche Antragsformulierungen in Betracht:
Gemäß § 86 a Absatz 4 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) besteht keine aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Klage gegen die Aufhebung oder Versagung der Verlängerung einer ANÜ-Erlaubnis. Dies bedeutet, dass die Entscheidung der Erlaubnisbehörde sofortige Wirkung entfaltet, also ihre Wirkung nicht bis zur Entscheidung über Widerspruch / Klage aufgeschoben wird. Erste Möglichkeit der Antragsformulierung ist dementsprechend ein Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 86 b Absatz 1 Nr. 2 SGG. In Betracht kommt aber auch ein Antrag gemäß § 86 b Absatz 2 SGG, der anwendbar ist, "wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte" oder wenn eine einstweilige Anordnung "zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint".
Auch wenn wegen der teilweisen Kürze der Sachverhaltsbeschreibungen in den hier genannten Beschlüssen die Vergleichbarkeit der Sachverhalte von mir nicht abschließend beurteilt werden kann, ergibt sich für mich der Eindruck, dass die Landessozialgerichte zur Frage der zutreffenden Antragsformulierung uneinig sind:
In den Fällen, in denen der Antrag auf Verlängerung der ANÜ-Erlaubnis im Sinne von § 2 Absatz 4 Satz 2 AÜG rechtzeitig gestellt wurde (also spätestens drei Monate vor Ablauf der vorangegangenen Erlaubnis), verlängert sich die ANÜ - Erlaubnis gemäß § 2 Absatz 4 Satz 3 AÜG automatisch, wenn der Verlängerungsantrag von der Erlaubnisbehörde nicht bis zum Datum des Ablaufes der vorangegangenen Erlaubnis abgelehnt wird. In einem vorangegangenen Artikel berichtete ich von dem Beschluss des LSG Niedersachsen-Bremen zum Aktenzeichen L 11 AL 76/24 B ER. In diesem Beschluss (und in weiteren dort zitierten Entscheidungen diverser anderer Landessozialgerichte) wird die Auffassung vertreten, dass in diesen Fällen der Rechtsschutzantrag gemäß § 86 b Absatz 1 Nr. 2 SGG (also auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung) zu formulieren sei, denn im Fall einer dem Antrag stattgebenden Entscheidung des Gerichts würde die aufschiebende Wirkung zur Rechtsfolge des § 2 Absatz 4 Satz 3 AÜG führen, also zur Verlängerung der ANÜ-Erlaubnis um ein weiteres Jahr.
In dem hier kommentierten Beschluss des LSG Berlin-Brandenburg wird hingegen die Auffassung vertreten, dass im Falle der Versagung der Verlängerung einer ANÜ - Erlaubnis ein Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gemäß § 86 b Absatz 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zu formulieren sei und nicht gemäß § 86 b Absatz 1 Nr. 2 SGG. Das LSG Berlin-Brandenburg stützt seine Auffassung auf § 2 Absatz 4 Satz 4 AÜG, wonach im Falle der Ablehnung der Verlängerung lediglich noch Altverträge für eine Zeit von maximal 12 Monaten abgewickelt werden dürfen. Deshalb könne die Anordnung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 86 b Absatz 1 Nr. 2 SGG nicht zu der begehrten Verlängerung der ANÜ - Erlaubnis führen. Deshalb sei der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gemäß § 86 b Absatz 2 SGG zu formulieren, also auf Erhalt einer ANÜ - Erlaubnis für das Jahr nach Ablauf der vorangegangenen Erlaubnis.
Zur Vermeidung von Rechtsnachteilen im Hinblick auf diese divergierende Rechtsprechung spreche ich vorsorglich folgende Empfehlung aus: In Anträgen auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Versagung der Verlängerung der ANÜ-Erlaubnis soll die Bitte um einen gerichtlichen Hinweis für den Fall eingearbeitet werden, dass seitens des Gerichts eine abweichende Formulierung des Rechtsschutzantrages für erforderlich erachtet wird, um das gewünschte Ziel der Verlängerung der ANÜ - Erlaubnis erreichen zu können.
Begründetheit eines Antrages gemäß § 86 b Absatz 2 SGG:
Grundsätzlich können bei der Prüfung der Begründetheit eines Antrages gemäß § 86 b Absatz 2 SGG sowohl die Erfolgsaussichten der Rechtsverfolgung in der Hauptsache (Widerspruch oder Klage) als auch die Folgen der gerichtlichen Entscheidung herangezogen werden. Hierzu wird im dem hier kommentierten Beschluss des LSG Berlin-Brandenburg erläutert:
Falls beim Antragsteller ohne die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes schwere, unzumutbare Folgen eintreten würden, die im Hauptsacheverfahren (Widerspruch oder Klage) nicht mehr beseitigt werden können, darf das Gericht seine Entscheidung nur dann allein an den Erfolgsaussichten der Rechtsverfolgung ausrichten, wenn Sachverhalt und Rechtslage vollständig aufgeklärt sind (was in einem einstweiligen Rechtsschutzverfahren eher selten der Fall sein wird). Wenn die Sach- und Rechtslage im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nicht umfassend aufgeklärt ist, müssen die negativen Folgen bei der Entscheidung berücksichtigt werden.
Wenn die Ablehnung der Verlängerung der ANÜ - Erlaubnis auf einer Summe nicht schwerwiegender (wenn auch wiederholt festgestellter) Verstöße beruht, dann tritt das Interesse der Erlaubnisbehörde an einer sofortigen Unterbindung der weiteren Verleihtätigkeit des Antragstellers zurück, und zwar insbesondere dann, wenn der Antragsteller bereits Maßnahmen ergriffen hat, um zukünftige Gesetzesverstöße erheblich zu reduzieren. Die negativen Folgen der einstweiligen Versagung der Verlängerung der ANÜ-Erlaubnis für den Antragsteller werden dann als gewichtiger beurteilt, denn dem Antragsteller drohen dann in Gestalt des Verlustes des Kundenstamms und Kündigung der Arbeitsverhältnisse durch die Arbeitnehmer nicht wiedergutzumachende wirtschaftliche Folgen in seiner grundgesetzlich geschützten Tätigkeit. Dementsprechend hatte der Antragsteller in diesem Fall mit seinem einstweiligen Rechtsschutzantrag Erfolg.
Ich berichte von zwei aktuellen Beschlüssen der Landessozialgerichte (LSG) Berlin-Brandenburg vom 13.03.2025 zum Aktenzeichen L 32 AL 5 / 25 B ER und LSG Niedersachsen - Bremen vom 05.05.2025 zum Aktenzeichen L 11 AL76 / 24 B ER. Beide Beschlüsse behandeln vorläufigen Rechtsschutz (also Anordnung der aufschiebenden Wirkung von Widersprüchen) gegen Bescheide der Arbeitsagentur, worin die Verlängerung befristeter Arbeitnehmerüberlassungserlaubnisse (ANÜ - Erlaubnissse) wegen Unzuverlässigkeit gemäß § 3 Absatz 1 AÜG abgelehnt wurde.
In beiden gerichtlichen Beschlüssen werden folgende Grundsätze genannt: Unzuverlässigkeit im Sinne von § 3 Absatz 1 Nr. 1 AÜG liegt vor, wenn beim Antragsteller Tatsachen vorliegen, aufgrund derer zu befürchten ist, dass er sein Gewerbe nicht in Einklang mit den bestehenden rechtlichen Vorschriften ausüben wird. Dabei kann es sich einerseits um Verstöße im arbeitsrechtlichen Kernbereich handeln. Zu diesem Kernbereich zählen die Entgeltbestandteile, Ansprüche auf Erholungsurlaub und sonstige Ansprüche auf geldwerte Leistungen. Andererseits kann sich die Unzuverlässigkeit auch aus einer Summierung von Umständen und kleineren Verstößen ergeben, die für sich isoliert gesehen die Versagung der ANÜ - Erlaubnis nicht rechtfertigen, wohl aber in ihrer Zusammenballung. Zuvor bereits festgestellte Verstöße (also wiederholte Verstöße trotz entsprechender Belehrung durch die Arbeitsagentur) können zu Lasten des Antragstellers bei der Bewertung berücksichtigt werden. Entscheidend ist allerdings immer die Zukunftsprognose. Falls diese Prognose nicht zu einem klaren Ergebnis führt, so ist zugunsten des Antragstellers (also gegen die Erlaubnisbehörde) zu entscheiden.
Die beiden gerichtlichen Beschlüsse unterscheiden sich insoweit, als dass vom LSG Berlin-Brandenburg über eine Summierung kleinerer Gesetzesverstöße entschieden wurde und vom LSG Niedersachsen-Bremen über Verstöße gegen arbeitsrechtliche Kernpflichten.
Die Entscheidung des LSG Berlin-Brandenburg:
Beim Antragsteller waren bei vorangegangenen Betriebsprüfungen der Arbeitsagentur diverse Gesetzesverstöße festgestellt worden wie z.B. nicht vollständige Angaben bei der Konkretisierung, Vorlage von Kopien anstelle von Originalen während Prüfungen, fehlende Beschreibungen der vom Arbeitnehmer geschuldeten Tätigkeit und Qualifikationen im Arbeitsvertrag, keine rechtsgültigen Angaben zu Equal Pay nach 9 Monaten, Fehler in den Arbeitszeitnachweisen, Überschreitung der maximalen Arbeitszeit, mangelhafte Betriebsorganisation, Erteilung falscher Auskünfte gegebenüber der Arbeitsagentur.
Das LSG Berlin-Brandenburg beurteilte diese Gesetzesverstöße nicht als Verstöße im Bereich der arbeitsrechtlichen Kernpflichten, so dass zu prüfen war, ob die Summierung kleinerer Gesetzesverstöße die Versagung der ANÜ-Erlaubnis rechtfertigt. Angesichts des hohen Gewichts der grundgesetzlich in Artikel 12 und 14 des Grundgesetzes geschützten Berufs- und Gewerbefreiheit seien an die Versagung der ANÜ - Erlaubnis strenge Voraussetzungen zu stellen, sodann müsse die Versagung immer dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen. Bei den hier festgestellten, vom LSG Berlin-Brandenburg als nicht den Kernbereich arbeitsrechtlicher Pflichten betreffenden Gesetzesverletzungen gelangte das Gericht zu dem Ergebnis, dass eine Versagung der ANÜ - Erlaubnis nicht verhältnismäßig ist.
Sodann hob das Gericht zur Zukunftsprognose hervor, dass der Antragsteller zwischenzeitlich Schulungskurse zu den Rechtsvorschriften der ANÜ absolviert hat, was die Annahme nahelege, dass es in Zukunft zu deutlich weniger Verstößen gegen Rechtsvorschriften kommt.
Zu einem anderen Ergebnis gelangt die Entscheidung des LSG Niedersachsen-Bremen, worin folgender Sachverhalt beurteilt wurde:
Der das Tarifwerk der Arbeitszeit iGZ anwendende Antragsteller hatte hohe Steuerrückstände und hohe Beitragsrückstände bei Krankenkassen und es wurden bei Betriebsprüfungen der Arbeitsagentur - teilweise wiederholt - folgende Mängel festgestellt: Entgegen § 11 Absatz 1 Satz 2 Nr. 2 AÜG fehlende Angaben zur Vergütung in verleihfreien Zeiten (Garantielohnklausel); automatische Einbuchung von Minusstunden im Arbeitszeitkonto für verleihfreie Zeiten; keine hinreichend klare Regelung zur Arbeitszeit; unzulässiger arbeitsvertraglicher Ausschluss von Nachtarbeitszuschlägen; unterbliebene Auszahlung von Jahressonderzahlungen und Feiertagslohn an wenige Arbeitnehmer; bei wenigen Arbeitnehmern nicht korrekte Urlaubsvergütung und Lohnfortzahlung bei Arbeitsunfähigkeit. Sämtliche vorgeschilderten Mängel bewertete das Gericht als Verstöße gegen den Kernbereich arbeitsrechtlicher Pflichten. Das Gericht sah Anhaltspunkte für systematische Lohnverkürzung.
Hinzu kamen Verstöße gegen das Arbeitszeitgesetz wie Überschreitung der zulässigen monatlichen Arbeitszeit und verkürzte Pausenzeiten. Hierbei ist zu beachten, dass die Überwachung der Einhaltung von Arbeitsschutzvorschriften gemäß § 11 Absatz 6 AÜG nicht nur an den Entleiher, sondern auch an den Verleiher adressiert ist. Sodann sah das LSG folgende unzulässige Verlagerung des Betriebsriskos auf die Arbeitnehmer: Arbeitsverhältnisse wurden vom Arbeitgeber so gekündigt, dass die Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit der Beendigung des Überlassungsvorganges zusammenfällt, wobei manche Arbeitnehmer dann später erneut eingestellt wurden. Hierdurch sparte der Arbeitgeber Garantielohn für die Zeit zwischen dem Wirksamwerden der Kündigung und dem Beginn des neuen Arbeitsverhältnisses. Schließlich hielt das LSG wiederholte Probezeitvereinbarungen mit demselben Arbeitnehmer für unzulässig, weil der Arbeitgeber aufgrund vorangegangener Arbeitsverhältnisse den Arbeitnehmer bereits hinreichend erprobt hatte.
Ich verstehe die entsprechenden Erläuterungen des Gerichts zu den erheblichen Zahlungsrückständen gegenüber Finanzamt und Krankenkassen so, dass solche Umstände dann kein Versagungsgrund für die Verlängerung der ANÜ - Erlaubnis sind, wenn aufgrund entsprechender Vereinbarungen mit den Behörden / Krankenkassen und der erforderlichenb Bonität dafür Sorge getragen ist, dass die Zahlungsrückstände planmäßig abgetragen werden.
Fazit zu den hier kommentierten LSG - Beschlüssen:
Falls durch arbeitsvertragliche Gestaltungen und / oder Vorenthaltung von Entgeltbestandteilen der Eindruck einer planmäßigen / systematischen Lohnverkürzung - auch hinsichtlich der Vergütung für verleihfreie Zeiten (Garantielohn) - hervorgerufen wird, so folgt hieraus die Annahme einer arbeitsrechtlichen Unzuverlässigkeit des Antragstellers mit der Folge der Ablehnung der Verlängerung der ANÜ - Erlaubnis.
Meine Praxis in vielen von mir begleiteten Betriebsprüfungen zeigt allerdings, dass die Arbeitsagenturen lediglich Rügen aussprechen oder Auflagen erteilen (also die Verlängerung der ANÜ - Erlaubnis nicht verweigern), wenn plausibel dargelegt wird, dass versehentliche Fehler in einer überschaubaren Zahl von Einzelfällen unterlaufen sind und die Fehlerquellen durch entsprechende rechtliche Beratung und Gestaltung der Arbeitsabläufe im Betrieb in Zukunft verschlossen werden.
Bei Feststellung weniger schwerwiegender Gesetzesverletzungen, also insbesondere solcher außerhalb des Kernbereichs der arbeitsrechtlichen Pflichten, sollte es gelingen, die Verlängerung der ANÜ - Erlaubnis zu erreichen, falls nicht durch mehrfach wiederholtes Ignorieren entsprechender Hinweise und Rügen der Arbeitsagentur der Eindruck von Unbelehrbarkeit erweckt wird.
Ich berichte vom Urteil des Landesarbeitsgerichts (LAG) Schleswig-Holstein vom 06.03.2025 zum Aktenzeichen 5 Sa 222 d/24, worin folgende Themen behandelt werden:
Bedeutung des vom Entleiher ausgefüllten Fragebogens zu den wesentlichen Arbeitsbedingungen in seinem Betrieb:
Falls der Verleiher mit seinen Arbeitnehmern nicht die Anwendung eines Tarifwerkes der Zeitarbeit vereinbart hat (iGZ oder BAP, ab dem 01.01.2026 GVP), muss er seinen überlassenen Arbeitnehmern gemäß § 8 Absatz 1 AÜG zumindest solche wesentlichen Arbeitsbedingungen gewähren, die im Betrieb des Entleihers für einen vergleichbaren Arbeitnehmer gelten (Gleichstellungsgrundsatz, Equal Treatment). Im Fall der Vereinbarung der Anwendung eines Tarifwerkes der Zeitarbeit gilt gemäß § 8 Absatz 4 Satz 1 AÜG nach 9 Monaten Überlassungszeit hinsichtlich des Arbeitsentgelts der Gleichstellungsgrundsatz (Equal Pay). Dem Verleiher muss also bekannt sein, welche wesentlichen Arbeitsbedingungen / Entgeltleistungen im Betrieb des Entleihers einem vergleichbaren Arbeitnehmer gewährt werden. Die Abfrage dieser Arbeitsbedingungen erfolgt üblicherweise durch einen vom Verleiher vorgelegten Fragebogen, der vom Entleiher auszufüllen ist.
Im vom LAG entschiedenen Fall gewährte der Entleiher seinen Arbeitnehmern eine Inflationsausgleichsprämie, die in dem Fragebogen genannt war. Der Verleiher gewährte diese Inflationsausgleichsprämie nur in wesentlich geringerem Umfang.
Das LAG urteilte, dass aus der Angabe der Inflationsausgleichsprämie im Fragebogen kein unmittelbarer Anspruch des Arbeitnehmers des Verleihers auf die Gewährung der Inflationsausgleichsprämie folgt, weil es sich bei den Angaben des Entleihers im Fragebogen nicht um eine rechtsgeschäftliche Willenserklärung gegenüber den Arbeitnehmern des Verleihers handelt. Der Fragebogen ist nicht darauf gerichtet, den Arbeitnehmern des Verleihers unmittelbar Rechte zu vermitteln, es handelt sich um die Übermittlung von Informationen des Entleihers an den Verleiher, die dieser zur Erfüllung seiner aus dem Gleichstellungsgrundsatz folgenden Verpflichtungen gegenüber seinen Arbeitnehmern benötigt. Aus diesem Grund sind die im Fragebogen angegebenen Arbeitsbedingungen auch kein Vertrag zugunsten Dritter, aus dem die überlassenen Arbeitnehmer des Verleihers unmittelbar Ansprüche herleiten können.
Mechanik der Prüfung der Einhaltung des Grundsatzes Equal Pay:
Das LAG urteilte, dass aus der Gewährung einer Inflationsausgleichsprämie durch den Entleiher nicht automatisch ein Anspruch der Arbeitnehmer des Verleihers auf Gewährung einer solchen Prämie folgt.
Bei der Prüfung der Einhaltung des Grundsatzes Equal Pay ist ein Gesamtvergleich der Entgelte im Überlassungszeitraum anzustellen. Es müssen also sämtliche vom Verleiher gewährten Entgeltbestandteile aufaddiert werden, um eine Entgeltgesamtsumme zu ermitteln. Diese Entgeltgesamtsumme ist dann der Summe der Entgeltbestandteile gegenüberzustellen, die der Entleiher einem vergleichbaren in seinem Betrieb tätigen Arbeitnehmer gewährt. Falls die Gesamtsumme der vom Verleiher gewährten Entgeltbestandteile auch ohne einzelne vom Entleiher, nicht aber vom Verleiher gewährte Entgeltbestandteile die vom Entleiher gewährte Entgeltgesamtsumme erreicht, dann ist der Grundsatz Equal Pay nicht verletzt. Es erfolgt keine Gegenüberstellung von Einzelposten, verglichen werden nur die Entgeltsummen.
Der klagende Arbeitnehmer des Verleihers ist hinsichtlich der vorstehend geschilderten Vergleichsberechnung in vollem Umfang darlegungs- und beweisbelastet, wobei dem Arbeitnehmer eine gemäß § 13 AÜG vom Entleiher erteilte Auskunft des Entleihers über die wesentlichen Arbeitsbeidnungen behiflich ist. Im hier kommentierten Fall hatte der Arbeitnehmer weder eine Auskunft des Entleihers gemäß § 13 AÜG noch eine Gesamtentgelt-Vergleichsberechnung vorgelegt, sondern lediglich vorgetragen, dass der Entleiher an seine Arbeitnehmer eine Inflationsausgleichsprämie zahlt und der Verleiher nur in wesentlich geringerem Umfang. Wegen fehlenden Vortrages zur Vergleichsberechnung der Entgeltsummen wies das LAG die Berufung des Arbeitnehmers gegen das klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts zurück.
Qualifizierung einer Inflationsausgleichsprämie als Entgeltbestandteil im Sinne von Equal Pay:
Bei dem vorstehend geschilderten Vergleich der von Verleiher und Entleiher gezahlten Entgeltsummen zur Ermittlung der Einhaltung des Grundsatzes Equal Pay sind nur solche Entgelte zu berücksichtigen, die als Gegenleistung für die erbrachte Arbeitsleistung anzusehen sind.
Eine Inflationsausgleichsprämie soll nach dem Willen des Gesetzgebers die in besonders hohem Umfang gestiegenen Verbraucherpreise abmildern und hat keinen unmittelbaren Bezug zur Arbeitsleistung des Arbeitnehmers. Deshalb warf das LAG die Frage auf, ob eine Inflationsausgleichsprämie überhaupt in den Vergleich der Entgeltsummen zur Prüfung der Einhaltung des Grundsatzes Equal Pay einzustellen sei. Entschieden hat das LAG diese Frage nicht, da die Berufung schon aus anderen Gründen unbegründet war.
Auch nach der Fusionierung der Arbeitgeberverbände iGZ und BAP zum GVP (Gesamtverband der Personaldienstleister) bestanden und bestehen derzeit noch parallel die sich in diversen Details unterscheidenden Tarifwerke iGZ und BAP. Dies wird sich zum 01.01.2026 ändern. Dann tritt das neue einheitliche DGB - GVP - Tarifwerk in Kraft, das dem herkömmlichen Aufbau entspricht, also Manteltarifvertrag, Entgeltrahmentarifvertrag, Entgelttarifvertrag und Branchenzuschläge.
Wesentlichen Neuerungen lauten:
Probezeit - Kündigungsfristen: Die Kündigungsfristen werden aus dem Manteltarifvertrag (MTV) BAP übernommen. Bei Neueinstellungen kann die Kündigungsfrist in den ersten zwei Wochen des Bestandes des Arbeitsverhältnisses also durch entsprechende Regelung im Arbeitsvertrag auf 1 Tag verkürzt werden, derzeit § 9.3 MTV BAP.
Anspruch auf Regelaltersrente als Zeitpunkt für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses: Es wird die Regelung im bisherigen § 2 Ziffer 2.1 MTV iGZ übernommen. Das Arbeitsverhältnis endet also mit Ablauf des Monates des Entstehens eines Anspruches auf ungekürzte Regelaltersrente in der gesetzlichen Rentenversicherung.
Arbeitszeit: Es wird die Regelung in § 2 Mantel TV BAP übernommen, also eine verstetigte monatliche Arbeitszeit von 151,67 Stunden. Die in § 3 Ziffer 3.1.2 MTV iGZ vorgesehene Möglichkeit der Vereinbarung monatlich wechselnder Arbeitsstunden je nach Anzahl der Arbeitstage in einem Monat entfällt. Allerdings gilt eine Übergangszeit bis zum Jahr 2030, in der diese Regelung noch angewendet werden kann.
Arbeitsbereitschaft: Im iGZ fehlen Regelungen zur Vergütungspflicht von Arbeitsbereitschaft, Bereitschaftsdienst und Rufbereitschaft. Es wird die Regelung in § 5 MTV BAP übernommen, wonach insoweit die Regelungen im Betrieb des Entleihers gelten.
Arbeitszeitkonten: Die Regelung wird an § 4 MTV BAP angelehnt. Das Arbeitszeitkonto darf auf maximal 200 Plusstunden lauten, also nicht nur 150 Stunden gemäß § 3 Ziffer 3.2.2 iGZ. Plusstunden werden nunmehr ausgezahlt, wenn 91 Stunden überschritten werden, die Schwelle liegt also nicht mehr bei 105 Stunden.
Zuschläge: Die Struktur der Regelungen über Zuschläge wird an den MTV BAP angelehnt.
Wegezeiten: Bei der Vergütung von Wegezeiten wird nicht mehr die (zumeist fiktive) Fahrzeit von der Niederlassung des Arbeitgebers zum Einsatzort maßgebend sein, sondern die Fahrzeit vom Wohnort zum Einsatzort. Überdies wird Wegezeitentschädigung zukünftig schon dann anfallen, wenn die Fahrzeit für die einfache Fahrt länger als 1 Stunde 15 Minuten beträgt, die Schwelle liegt also nicht mehr bei 1,5 Stunden.
Beschäftigungszeiten: Für die Bemessung der Urlaubsdauer, Sonderzahlungen und einsatzbezogenen Zulagen ist die Beschäftigungszeit des Arbeitnehmers von Bedeutung. Zukünftig werden hierbei Krankheitszeiten in vollem Umfang und Eltern- und Pflegezeiten bis zu 12 Monaten berücksichtigt. Lediglich reine Ruhezeiten wie unbezahlter Urlaub gelten nicht als Beschäftigungszeit.
Entgelte: Die neuen Entgelttabellen stehen derzeit noch nicht fest. Der DGB hat die Entgelttarifverträge zum 30.09.2025 gekündigt, die Verhandlungen laufen. Der DGB fordert eine Steigerung von 7,5 % mehr Lohn für alle Entgeltgruppen, der GVP lehnt diese Forderung ab. Der weitere Verhandlungsgang bleibt abzuwarten.
Zur Erinnerung - schon jetzt geltende Regelungen zur Textform anstelle Schriftform: Infolge des 4. Bürokratieentlastungsgesetzes genügt gemäß § 12 Absatz 1 AÜG der Abschluss des Arbeitnehmerüberlassungsvertrages in Textform, was eine effektive Erleichterung darstellt. Gemäß § 11 Absatz 1 AÜG in Verbindung mit § 2 Absatz 1 des Nachweisgesetzes gilt das Textformerfordernis auch für den Arbeitsvertrag. Allerdings beinhaltet der Abschluss von Arbeitsverträgen in Textform diverse Fallstricke, so dass ich empfehle, bei Arbeitsverträgen weiterhin Schriftform einzuhalten. Hinsichtlich der Details verweise ich auf meinen früheren Artikel "Weitere Änderungen im Arbeitsrecht durch das 4. Bürokratieentlastungsgesetz".
Handlungsbedarf: Arbeitsverträge, in denen die Geltung der Tarifwerke iGZ oder BAP vereinbart ist, müssen zum 01.01.2026 angepasst werden. Falls die Bezugnahme auch das Tarifwerk GVP umfasst, dann gilt kraft der arbeitsvertraglichen Bezugnahme zwar auch das zukünftige Tarifwerk GVP, ohne dass dies gesondert vereinbart werden müsste. Allerdings muss dann überprüft werden, dass im Arbeitsvertrag konkret genannte Arbeitsbedingungen dem zuküftig geltenden Tarifwerk entsprechen. Es ist auch zu prüfen, ob Regelungen im Arbeitnehmerüberlassungsvertrag angepasst werden müssen.
Seit vielen Jahren arbeiten deutsche Bauunternehmen mit Nachunternehmern aus Osteuropa zusammen, insbesondere polnischen Bauunternehmen. Aufgrund entsprechender Nachunternehmerwerkverträge mit dem polnischen Nachunternehmer werden dann polnische Staatsangehörige zur vorübergehenden Arbeit von Polen aus nach Deutschland entsandt.
In Polen leben viele Ukrainer, insbesondere auch Kriegsflüchtlinge. Seit geraumer Zeit stelle ich in meiner Praxis zunehmend fest, dass bei einem polnischen Bauunternehmen angestellte Ukrainer gemeinsam mit ihren polnischen Arbeitskollegen als Mitglieder einer Arbeitskolonne des polnischen Nachunternehmers zur Durchführung von Nachunternehmerwerkverträgen nach Deutschland entsandt werden. Augenscheinlich wird sowohl in Deutschland als auch in Polen häufig davon ausgegangen, dass die für Ukrainer wegen des Krieges in ihrem Heimatland derzeit geltenden Zuzugsregelungen nach Deutschland bedeuten, "dass die Ukrainer in Deutschland so arbeiten dürfen wie die Polen".
Eine solche Annahme ist falsch. Die für ukrainische Staatsangehörige derzeit bestehenden aufenthaltsrechtlichen Sonderregelungen gelten nur für Kriegsflüchtlinge, die zur Gewährung vorübergehenden Schutzes nach Deutschland einreisen. Bislang haben diese Kriegsflüchtlinge in Deutschland nach entsprechender Antragstellung bei der Ausländerbehörde eine Aufenthaltserlaubnis (oder vorab eine entsprechende sogenannte Fiktionsbescheinigung) "zum vorübergehenden Schutz" gemäß § 24 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) erhalten. Die Geltung dieser Aufenthaltserlaubnisse gemäß § 24 AufenthG ist aufgrund einer entsprechenden Rechtsverordnung derzeit bis zum 04.03.2026 begrenzt. Inhaber einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 24 AufenthG dürfen in Deutschland als Arbeitnehmer ("Beschäftigung") und auch selbständig arbeiten, die entsprechenden Fiktionsbescheinigungen und Aufenthaltserlaubnisse tragen die Nebenbestimmung "Erwerbstätigkeit erlaubt". Für bislang noch nicht nach Deutschland eingereiste ukrainische Staatsangehörige (und ihre Familienangehörigen) gilt derzeit die Regelung, dass sie bis zum 04.12.2025 nach Deutschland einreisen und sich dann 90 Tage hier aufhalten dürfen. Zukünftige Sonderregelungen für ukrainische Kriegsflüchtlinge werden sicherlich davon abhängen, wie sich die Situation in der Ukraine entwickelt.
Sodann dürfen ukrainische Staatsangehörige, die über einen biometrischen Pass verfügen, für Touristenaufhalte und Geschäftsbesprechungen (für einen Zeitraum von maximal 90 Tagen innerhalb von 180 Tagen) visumfrei in den Schengenraum, also auch nach Deutschland, einreisen. Diese Regelung gestattet nicht die Ausübung einer Erwerbstätigkeit.
Abgesehen von den beiden vorgenannten Fallgruppen Kriegsflüchtlinge und visumfreier Touristenaufenthalt gelten für ukrainische Staatsangehörige keine aufenthaltsrechtlichen Sonderregelungen. Es gilt also der Grundsatz, dass für die Einreise nach Deutschland zum Zwecke der Ausübung einer Erwerbstätigkeit vor der Einreise bei der zuständigen deutschen konsularischen Auslandsvertretung die Erteilung eines Einreisevisums für die Ausübung einer Erwerbstätigkeit beantragt werden muss. Erst nach Erteilung dieses Visums darf die Arbeitstätigkeit in Deutschland begonnen werden.
Es können folgende Erleichterungen in Betracht kommen:
Zwecks Förderung der europarechtlichen Dienstleistungsfreiheit ist infolge von Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes das sogenannte "Vander Elst - Visum" geschaffen worden. Hiernach wird einem Drittstaatsangehörigen (also mit Staatsangehörigkeit eines Nicht-EU - Staats, z.B. Ukrainer), der in einem Unternehmen mit Sitz in einem Mitgliedstaat der EU (z.B. Polen) ordnungsgemäß beschäftigt ist und der dort seine Haupttätigkeit ausübt, ein Visum für die Entsendung nach Deutschland erteilt. Obwohl keine weiteren Voraussetzungen erfüllt werden müssen, ist das Antragsverfahren für das "Vander Elst - Visum" kompliziert und mit langen Bearbeitungszeiten verbunden. Schon deshalb ist das "Vander - Elst-Visum" häufig nicht geeignet.
Praktikabler ist die sogenannte "Nichtbeschäftigungsfiktion". Ein Drittstaatsangehöriger (z.B. Ukrainer) darf von seinem in einem Mitgliedstaat der EU (z.B. Polen) ansässigen Arbeitgeber, bei dem er ordnungsgemäß beschäftigt ist, für einen Zeitraum von maximal 90 Tagen innerhalb eines Zeitraums von 12 Monaten visumfrei nach Deutschland entsandt werden. Diese Regelung gilt jedoch nur dann, wenn der Drittstaatsangehörige in dem EU - Mitgliedstaat, in dem sein Arbeitgeber seinen Sitz hat, den Aufenthaltsstatus des "langfristig Aufenthaltsberrechtigten / EU" hat. Beispiel: Ein Ukrainer, der in einem polnischen Bauunternehmen eingestellt ist, darf von seinem polnischen Arbeitgeber visumfrei für den vorgenannten Zeitraum nach Deutschland entsandt werden, wenn er in Polen eine "pobyt rezydenta dlugoterminowego - UE" besitzt. Auf diesen Aufenthaltstitel besteht ein Anspruch nach 5 - jährigem rechtmäßigem und untunterbrochenen Aufenthalt in dem jeweilgen Mitgliedstaat der EU.