Entgeltfortzahlungsansprüche von Arbeitnehmern wegen Krankheit setzen voraus, dass der Arbeitnehmer tatsächlich krank ist. Beweismittel für das Vorliegen der Krankheit ist eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU). AU haben einen hohen Beweiswert. Wenn ein Arbeitgeber Entgeltfortzahlung verweigern will, muss er den Beweiswert der AU erschüttern. Wenn dies gelingt, muss der Arbeitnehmer auf andere Weise den vollen Beweis dafür erbringen, dass er während des behaupteten Zeitraums arbeitsunfähig krank war, was ihm nur selten gelingen wird.
Für die Erschütterung des Beweiswertes einer AU gelten allerdings strenge Anforderungen. Hierzu erging am 13.12.2023 das aktuelle Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) zum Aktenzeichen 5 AZR 137/23, in dem folgender Sachverhalt beurteilt wurde:
Der Arbeitnehmer legte beim Arbeitgeber an einem Tag zu Beginn des Monats eine AU für 4 Krankheitstage vor. Am selben Tag schickte der Arbeitgeber die Kündigungserklärung des Arbeitsverhältnisses (mit Kündigungsfrist zum Ende desselben Monats) ab, die dem Arbeitnehmer 1 Tag später zuging. Der Arbeitnehmer legte dem Arbeitgeber dann nahtlos anschließende AU - Folgebescheinigungen vor, mit denen Krankheit bis zum Ende des Monats - also bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses laut Kündigungserklärung - bestätigt wurde. Am 1. Tag des Folgemonates nahm der Arbeitnehmer eine Beschäftigung bei einem anderen Arbeitgeber auf. Der Arbeitgeber verweigerte Entgeltfortzahlung für den betreffenden Monat, weil der Beweiswert aller AU erschüttert sei.
Das BAG führte zunächst aus, dass es für den Beweiswert einer AU, die im Zusammenhang mit einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses vorgelegt wird, ohne Bedeutung ist, ob die Kündigung vom Arbeitnehmer oder vom Arbeitgeber ausgesprochen wurde.
Das BAG urteilte sodann, dass der Beweiswert der ersten AU nicht erschüttert sei, weil dem Arbeitnehmer im Zeitpunkt der Vorlage der ersten AU die Kündigung des Arbeitsverhältnisses noch nicht bekannt war, da die Kündigungserklärung des Arbeitgebers dem Arbeitnehmer erst einen Tag nach Vorlage der AU Bescheinigung bekannt wurde, so dass ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen Kündigung des Arbeitsverhältnisses und der Krankschreibung nicht bestand. Hinsichtlich der Folgebescheinigungen beurteilte das BAG deren Beweisert jedoch als erschüttert, weil die AU - Folgebescheinigungen exakt bis zum Ende der Kündigungsfrist reichten, also "passgenau" waren und es dem Arbeitnehmer erlaubten, dann rechtzeitig zum Beginn des Folgemonates eine Beschäftigung bei einem neuen Arbeitgeber aufzunehmen. Für die von den AU - Folgebescheinigungen belegten Zeiträume muss der Arbeitnehmer also nun auf anderem Wege den vollen Beweis für krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit erbringen, was ihm voraussichtlich schwerfallen wird.