Zum 01.01.2023 gelten Änderungen im Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe (BRTV), von denen ich hier darstelle:
Neu eingeführt wurde die Wegezeitentschädigung, § 5 Nr. 7 in Verbindung mit § 7 Nr. 4.1 BRTV. Die Wegezeitentschädigung ist gestaffelt und beträgt bei einer Entfernung zwischen Betrieb und Arbeitsstelle (Baustelle) von
- mehr als 75 km bis 200 km = 9 €
- mehr als 200 km bis 300 km = 18 €
- mehr als 300 km bis 400 km = 27 €
- mehr als 400 km = 39 €
pro Wegstrecke. Der Anspruch ist auf 2 Wegezeitentschädigungen je Kalenderwoche sowie die vom Arbeitgeber angeordneten An- und Abreisen begrenzt. Bei zur vorübergehenden Arbeitsleistung nach Deutschland aus dem Ausland entsandten Arbeitnehmern wird der Anspruch auf Wegezeitentschädigung häufig wegfallen, obwohl der BRTV allgemeinverbindlich ist. Falls Sie Beratung wünschen, so sprechen Sie mich bitte an.
Der Verpflegungszuschuss gemäß § 7 Nr. 3.2 BRTV wurde von bislang 4,09 € in Westdeutschland und 2,56 € in Ostdeutschland beträchtlich erhöht und die Anspruchsvoraussetzungen wurden aus Sicht des Arbeitnehmers günstiger gestaltet. Der für den Anspruch des Arbeitnehmers erforderliche Zeitraum der Abwesenheit von der Wohnung aus beruflichen Gründen wurde von 10 Stunden auf 8 Stunden verkürzt, so dass nunmehr der Anspruch auf Verpflegungszuschuss wesentlich häufiger zu gewähren sein wird als bislang.
Die Höhe des Verpflegungszuschusses lautet gestaffelt je nach Entfernung zwischen Betrieb und Arbeitsstelle (Baustelle):
- bis 50 km = 6 €, ab 01.01.2024 = 7 €
- von mehr als 50 km bis 75 km = 7 €, ab 01.01.2024 = 8 €
- von mehr als 75 km = 8 €, ab 01.01.2024 = 9 €.
Zum 01.08.2022 sind folgende Änderungen des AÜG in Kraft getreten:
Gemäß § 11 Absatz 2 Satz 4 AÜG hat der Verleiher den Leiharbeitnehmer vor jeder Überlassung darüber zu informieren, dass er als Leiharbeitnehmer tätig wird. Schon bislang war zum Nachweis der Erfüllung dieser Informationspflicht bei Betriebsprüfungen sinnvoll, dass diese Information zumindest als E-Mail (also in Textform) an den Leiharbeitnehmer übersandt wird. Nunmehr ist vorgeschrieben, dass diese Information zumindest in Textform erteilt wird. Sodann ist neu, dass in dem Informationsschreiben der Name des Entleihers (Firma) und dessen Anschrift anzugeben ist. Ich bitte um Beachtung, dass die Anschrift des Entleihers nicht zwingend mit der Anschrift des tatsächlichen Einsatzortes des Leiharbeitnehmers übereinstimmt, da der Entleiher den ihm überlassenen Arbeitnehmer auch an einem Einsatzort außerhalb seines Betriebssitzes einsetzen kann. Es ist nur die Anschrift des Sitzes des Entleihers anzugeben und nicht ein hiervon eventuell abweichender Einsatzort. In solchen Fällen kann die Angabe des Einsatzortes sogar schädliche Missverständnisse bei Betriebsprüfungen der Arbeitsagentur hervorrufen, da dann der Verdacht unzulässigen Kettenverleihs entstehen könnte.
Gemäß § 13 a AÜG hat der Entleiher den Leiharbeitnehmer über zu besetzende Arbeitsplätze zu informieren. Gesetzgeberischer Sinn dieser Vorschrift ist, "den Arbeitnehmer aus der Leiharbeit herauszuholen" und ihm "einen festen Arbeitsplatz beim Entleiher" zu ermöglichen. Diese Informationspflicht des Entleihers wurde durch Einfügung eines Absatzes 2 in § 13 a AÜG konkretisiert: Wenn ein Leiharbeitnehmer seit mindestens 6 Monaten bei einem Entleiher tätig ist und der Leiharbeitnehmer dem Entleiher zumindest in Textform (also per E-Mail) mitgeteilt hat, dass er den Abschluss eines Arbeitsvertrages mit dem Entleiher wünscht (Beschäftigungsanfrage), dann hat der Entleiher dem Leiharbeitnehmer innerhalb eines Monates nach Zugang der Beschäftigungsanfrage eine begründete Antwort in Textform mitzuteilen. Diese Verpflichtung gilt nur dann nicht, wenn der Leiharbeitnehmer dem Entleiher innerhalb der letzten 12 Monate bereits eine Beschäftigungsanfrage übermittelt hat. Ich bitte um Beachtung, dass ein Verstoß gegen § 13 a AÜG mit einem Bußgeld geahndet werden kann.
Schon seit dem Jahre 1995 besteht das Nachweisgesetz (NachwG). Hiernach ist der Arbeitgeber verpflichtet, die in § 2 NachwG aufgezählten (wesentlichen) Arbeitsbedingungen schriftlich niederzulegen und dem Arbeitnehmer diese Niederschrift auszuhändigen. Dieses Gesetz war in der Vergangenheit aus 2 Gründen ein Mauerblümchen: Die wesentlichen Arbeitsbedingungen sind in der Regel in der schriftlichen Arbeitsvertragsurkunde enthalten, dann ist eine gesonderte Niederschrift gemäß § 2 Absatz 4 NachwG nicht erforderlich. Sodann enthielt das NachwG bislang keine Bußgeldandrohung für den Fall von Verstößen.
Seit dem 01.08.2022 gilt eine neue Fassung des NachwG. Der in § 2 NachwG enthaltene Katalog der zu benennenden Arbeitsbedingungen wurde zu folgenden Materien deutlich ausgeweitet: Befristung, Arbeitsort, Probezeit, Bestandteile des Arbeitsentgelts, Ruhepausen und Ruhezeiten, Schichtsystem, Arbeit auf Abruf, Überstunden, Fortbildung, betriebliche Altersversorgung, einzuhaltendes Verfahren bei Kündigung des Arbeitsverhältnisses.
Neu ist sodann, dass im NachwG nunmehr ein Bußgeldtatbestand enthalten ist. Gemäß § 4 NachwG kann der Arbeitgeber mit einem Bußgeld bis zu 2.000 € belegt werden, wenn in der Arbeitsvertragsurkunde oder in einer gesonderten schriftlichen Nachweisurkunde die gemäß § 2 NachwG zu benennenden Arbeitsbedingungen nicht, nicht richtig oder nicht vollständig beschrieben sind, oder die Nachweisurkunde nicht der vorgeschriebenen Form entspricht, oder die entsprechende Information des Arbeitnehmers nicht rechtzeitig erfolgte.
Es besteht eine Übergangsvorschrift in § 5 NachwG: In schon vor dem 01.08.2022 bestehenden Arbeitsverhältnissen besteht eine Verpflichtung des Arbeitgebers zur Aktualisierung der Information über die Arbeitsbedingungen nur dann, wenn der Arbeitnehmer dies verlangt. Praktisch besonders bedeutsam ist die Gesetzesänderung daher für Arbeitsverhältnisse, die ab dem 01.08.2022 abgeschlossen wurden / werden.
Zur Vermeidung entsprechender Bußgelder sollte nun jeder Arbeitgeber überprüfen, ob die aktuell verwendeteten Arbeitsverträge die erforderlichen Angaben gemäß der neuen Fassung von § 2 NachwG enthalten.
Bei dieser Prüfung bin ich Ihnen gerne behilflich.
Gemäß § 16 Absatz 2 des Arbeitszeitgesetzes muss nur die an einem Arbeitstag über 8 Stunden hinausgehende Arbeitszeit vom Arbeitgeber aufgezeichnet werden. Das Arbeitszeitgesetz enthält also keine Regelung, wonach der Arbeitgeber alle von einem Arbeitnehmer geleisteten Arbeitsstunden in einer Arbeitszeitaufzeichnung erfassen muss.
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschied mit Urteil vom 14.05.2019 (Aktenzeichen C-55/18 - CCOO), dass die in Mitgliedsstaaten der EU ansässigen Arbeitgeber verpflichtet sind, "ein System einzurichten, mit dem die von einem Arbeitnehmer geleistete tägliche Arbeitszeit gemessen werden kann." Bislang war unklar, ob dieses die Führung vollständiger Arbeitsstundenaufschriebe verlangende Urteil unmittelbar in Deutschland anwendbar ist, oder ob hierzu eine Änderung deutscher Gesetze erforderlich ist.
Diese Diskussion hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) mit Beschluss vom 13.09.2022 zum Aktenzeichen 1 ABR 22/21 beendet. Das BAG hat entschieden, dass § 3 Absatz 2 Nr. 1 des Arbeitsschutzgesetzes so auszulegen ist, dass der Arbeitgeber verpflichtet ist, die von den Arbeitnehmern geleisteten Arbeitszeiten vollständig zu erfassen. Dies gilt auch bei der sogenannten Vertrauensarbeitszeit.
Dieses Urteil des BAG hat nicht nur zur Folge, dass nunmehr sämtliche Arbeitgeber ein System zur Aufzeichnung der vollständigen Arbeitszeiten ihrer Arbeitnehmer einrichten und anwenden müssen. Dieses Urteil ist auch von Bedeutung für die Vergütung von Überstunden. Wenn - was bei den allermeisten Arbeitsverträgen der Fall ist - eine bestimmte regelmäßige Arbeitszeit bestimmt ist und im Arbeitsvertrag auch die Vergütung für die regelmäßige Arbeitszeit vereinbart ist, hat der Arbeitnehmer gemäß § 612 Absatz 2 BGB einen Anspruch auf anteilige Vergütung von Überstunden. Aufgrund der nun zu führenden Arbeitszeiterfassungen können Überstunden leichter von der regelmäßigen Arbeitszeit abgegrenzt werden. Dies erleichtert dem Arbeitnehmer die Geltendmachung von Überstundenvergütung.
Die hier beschriebenen Entscheidungen ändern allerdings nichts daran, dass der Arbeitnehmer Vergütung für Überstunden nur dann verlangen kann, wenn die Mehrarbeit vom Arbeitgeber angeordnet wurde, oder mit seiner Billigung erfolgte.
Jeder Arbeitnehmer hat gemäß seinem Arbeitsvertrag, Tarifverträgen und dem Bundesurlaubsgesetz Anspruch auf bezahlten Urlaub. Der bezahlte Urlaub ist eine wesentliche Arbeitsbedingung im Sinne des Gleichstellungsgrundsatzes gemäß § 8 Absatz 1 des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG), wonach der der Arbeitgeber (Verleiher) dem Leiharbeitnehmer zumindest die wesentlichen Arbeitsbedingungen zu gewähren hat, die im Betrieb des Entleihers für einen vergleichbaren Arbeitnehmer gelten. Dementsprechend legen die für die Durchführung des AÜG zuständigen Arbeitsagenturen großen Wert darauf, dass unbezahlter Urlaub nur dann gewährt wird, wenn die Gewährung bezahlten Urlaubs nicht möglich ist, weil z.B. der Anspruch auf bezahlten Urlaub bereits ausgeschöpft ist.
Mit der unter anderem für Inhaber einer Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis (ANÜ-Erlaubnis) mit Sitz in Polen zentral zuständigen Arbeitsagentur Düsseldorf konnte ich soeben die Zulässigkeit einer abweichenden Regelung in folgender Fallgestaltung klären: Ein Bauunternehmen mit Sitz in Polen verfügt über eine ANÜ - Erlaubnis und verleiht unter Beachtung der Voraussetzungen des § 1 b AÜG Bauarbeiter an deutsche Bauunternhmen. Verliehen werden Arbeitnehmer mit polnischer Staatsangehörigkeit, die zur vorübergehenden Arbeitsleistung von Polen aus nach Deutschland entsandt werden und die über entsprechende A 1 Entsendebescheinigungen des polnischen Sozialversicherungsträgers verfügen. Diese Arbeitnehmer erhalten auf eigenen Wunsch hin während ihrer Arbeitsphase in Deutschland keinen bezahlten Urlaub, sondern im Umfang ihres Freizeitwunsches unbezahlte Urlaubstage. Nach Beendigung der Entsendung beantragen diese Arbeitnehmer dann bei SOKA - Bau die Auszahlung von Urlaubsabgeltung oder Urlaubsentschädigung gemäß § 8 Nr. 6, 8 BRTV, die ausgezahlt wird, wenn der Arbeitgeber diese Leistungen durch seine Sozialkassenbeitragszahlungen an SOKA-Bau finanziert hat. Diese von mir "Urlaubsabgeltungsmodell" genannte Regelung ist auch für den Arbeitgeber (Verleiher) günstig, da die Bemessungsgrundlage für die Berechnung des Sozialkassenbeitrags nicht um Urlaubsvergütung erhöht wird. Dass SOKA-Bau den Arbeitgeber in der hier geschilderten Fallkonstellation nicht dazu zwingen kann, anstelle unbezahlter Urlaubstage bezahlten Urlaub zu gewähren, hat das Hessische Landesarbeitsgericht mit rechtskräftig gewordenen Entscheidungen schon vor vielen Jahren festgestellt.
Nunmehr hat die Arbeitsagentur Düsseldorf mir gegenüber bestätigt, dass dieses Urlaubsabgeltungsmodell in der hier geschilderten Fallkonstellation unter bestimmten Voraussetzungen auch für Leiharbeiter akzeptiert wird, so dass die Gewährung unbezahlten Urlaubs auch an Leiharbeiter zulässig ist. Dann führt in der hier geschilderten Fallkonstellation die Gewährung von unbezahltem Urlaub bei den turnusmäßigen Betriebsprüfungen der Arbeitsagentur nicht zu Rügen, die schlimmstenfalls zum Verlust der ANÜ-Erlaubnis führen können. Ich informiere gerne über die Details.