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Am 01.11.2024 ist die schon länger erwartete "6. Verordnung über eine Lohnuntergrenze in der Arbeitnehmerüberlassung" (6. AÜG LohnV) im Sinne von § 3 a AÜG in Kraft getreten.

Wie üblich entsprechen die dort geregelten Mindestentgelte denen der Entgeltgruppe 1 der Tarifvertragswerke der Zeitarbeit iGZ und BAP.

Die Mindestentgelte lauten:

- In der Zeit vom 01. November 2024 bis zum 28. Februar 2025 = 14 €.

- In der Zeit vom 01. März 2025 bis zum 30. September 2025 = 14,53 €.

Die 6. AÜG LohnV tritt mit Ablauf des 30.09.2025 außer Kraft.

Diese Brutto-Stundensätze bilden die absolute Untergrenze der Stundenlöhne für als Leiharbeitnehmer eingesetzte Arbeitnehmer. Gemäß § 1 Satz 2 AÜG LohnV gilt diese Lohnuntergrenze auch für in Deutschland eingesetzte Leiharbeitnehmer eines im Ausland ansässigen Verleihers.

Gemäß § 4 AÜG LohnV muss dieses Mindestentgelt bis spätestens zum 15. Bankarbeitstag (Referenzort ist Frankfurt/Main) des dem Arbeitsmonat nachfolgenden Monates ausgezahlt werden. Dies gilt nicht für über die regelmäßige Arbeitszeit hinausreichende Arbeitsstunden, die in Anwendung einer tarifvertraglichen Arbeitzszeitflexibilisierung in ein Arbeitszeitkonto eingestellt werden. Die Grenze des zulässigen Arbeitszeitguthabens lautet bei Vollzeitarbeit auf 200 Plusstunden, ausnahmsweise (bei von saisonalen Schwankungen geprägter Arbeit) bei 230 Stunden. Alledings muss ein über 150 Stunden hinausreichendes Arbeitszeitguthaben gegen Insolvenz abgesichert werden, so dass ein über 150 Stunden hinausreichendes Arbeitszeitguthaben für den Verleiher mit erheblichem Mehraufwand und Kosten verbunden und daher zumeist nicht praktikabel ist. Bei Teilzeitarbeit, also weniger als 35 Wochenstunden, sind die vorgenannten Stundenzahlen anteilig im Verhältnis zur vereinbarten Arbeitszeit zu reduzieren.

Die Einhaltung der Lohnuntergrenze wird bei jeder arbeitnehmerüberlassungsbezogenen Betriebsprüfung der Arbeitsagenturen geprüft, so dass unbedingte Einhaltung erforderlich ist.

 

In § 5 des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG) ist der Widerruf der Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis (ANÜ - Erlaubnis) geregelt. Gemäß § 5 Absatz 1 Nr. 3 AÜG kann die ANÜ - Erlaubnis mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden, wenn die Erlaubnisbehörde aufgrund nachträglich eingetretener Tatsachen berechtigt wäre, die Erlaubnis zu versagen. Ein wichtiger Versagungsgrund ist gemäß  § 3 Absatz 1 Nr.1 AÜG die fehlende Zuverlässigkeit des Antragstellers im Hinblick auf (abgekürzt formuliert) Einhaltung der Vorschriften des Sozialversicherungs- und Lohnsteuerrechts, Ausländerrechts, Arbeitnehmerschutzrechts und Arbeitsrechts.

Am 30.04.2024 erging hierzu das Urteil des Thüringer Landessozialgerichts (LSG) zum Aktenzeichen L 10 AL 249/24 B ER.

Die Arbeitsagentur hatte eine ANÜ - Erlaubnis wegen angeblicher Verletzung diverser arbeitsrechtlicher Pflichten widerrufen. Die hier kommentierte Entscheidung des LSG ist allerdings nicht wegen detaillierter Auseinandersetzung mit den behaupteten Widerrufsgründen interessant, sondern wegen der Hervorhebung folgender wichtiger Grundsätze:

Für den Widerruf der ANÜ - Erlaubnis genügt nicht der Vorhalt von Verstößen in der Vergangenheit. Es muss die Prognose für die Zukunft begründet werden, dass und warum zu besorgen ist, dass der Erlaubnisinhaber sein Gewerbe nicht im Einklang mit den bestehenden rechtlichen Vorschriften ausüben wird. Wenn diese Prognose (in einem gerichtlichen Verfahren) im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung nicht zu einem klaren Ergebnis führt, so geht dies zu Lasten der Erlaubnisbehörde.

Zur Begründung einer negativen Prognose darf die Erlaubnisbehörde vorangegangene Verstöße heranziehen. Diese verlieren allerdings mit zunehmendem zeitlichen Abstand an Gewicht.

Wenn der Erlaubnisinhaber plausibel darlegt, dass und wie er die Ursachen früherer Verstöße beseitigen wird, bedarf es einer ausführlichen und detaillierten Würdigung dieses Vortrages durch die Erlaubnisbehörde, um eine negative Prognose aufrecht erhalten zu können. Diese Erwägung des LSG ist insbesondere deshalb von Bedeutung, weil behördliche Entscheidungen nicht selten nur knapp, oberflächlich und einseitig begründet werden, was nach den Erläuterungen im hier kommentierten Urteil nicht ausreicht, um den Widerruf einer ANÜ - Erlaubnis zu tragen.

Wegen der sehr einschniedenden Wirkung des Widerrufes einer ANÜ - Erlaubnis hat die Erlaubnisbeshörde bei der von ihr anzustellenden Ermessensentscheidung sorgfältig zu prüfen, ob vor dem Widerruf die Erteilung einer (gemäß § 2 Absatz 2 Satz 2 AÜG auch nach Erteilung der Erlaubnis möglichen) Auflage ausreicht. Eine Auflage kann hierbei auch den Inhalt gesetzlicher Regelungen wiedergeben. Der Widerruf der Erlaubnis ist als letztes Mittel (ultima ratio) erst bei beharrlicher oder gravierender Rechtsverletzung möglich, wenn keine mildere Maßnahme mehr zur Verfügung steht.

Die Erwägungen des LSG können in folgenden Sätzen zusammengefasst werden: Der Widerruf einer ANÜ - Erlaubnis ist im Regelfall nur dann rechtmäßig, wenn es trotz vorangegangener Auflagen gegenüber dem Erlaubnisinhaber weiterhin zu beharrlichen oder gravierenden Rechtsverstößen gekommen ist. Der Widerrufsbescheid muss erkennen lassen, dass sich die Erlaubnisbehörde mit sämtlichen Entlastungsargumenten des Erlaubnisinhabers intensiv auseinandergesetzt hat und trotz dieser Argumente ein milderes Mittel als der Widerruf der Erlaubnis nicht in Betracht kommt.

Die hier kommentierte Entscheidung des LSG betont die strengen Anforderungen an die Rechtmäßigkeit eines Bescheides über den Widerruf der ANÜ - Erlaubnis.

 

 

Die Abgrenzung selbständiger Tätigkeit von sozialversicherungsrechtlicher Beschäftigung ist insbesondere unter dem Stichwort "Scheinselbständigkeit" bekannt. Gründe für den Abschluss von Aufträgen über eine freie Dienstleisung anstelle von Arbeitsverträgen sind insbesondere die Vermeidung der (diverse arbeitsrechtliche Pflichten auslösenden) Arbeitgeberstellung und die Vermeidung der Verpflichtung zur Abführung von Sozialversicherungsabgaben und Lohnsteuer. Wenn allerdings durch Kontrollbehörden, Sozialversicherungsträger oder Gerichte festgestellt wird, dass ein formell als Auftragsverhältnis abgeschlossenes Vertragsverhältnis tatsächlich ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis darstellt, dann kann dies für den Auftraggeber in Gestalt der Nachzahlung von öffentlichen Abgaben erhebliche finanzielle und im Einzelfall sogar strafrechtliche Konsequenzen haben.

Hauptsächliche Kriterien für die Abgrenzung sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung von selbständiger Tätigkeit sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers. Hierzu hat das Bundessozialgericht (BSG) am 23.04.2024 zum Aktenzeichen B 12 BA 9/22 R eine interessante Entscheidung verkündet.

Der vom BSG beurteilte Sachverhalt ist nicht alltäglich gerlagert, denn es ging um die Qualifizierung des Vertrages mit einem Flugzeugführer über die Durchführung von Transportflügen. Allerdings hat das BSG einen wichtigen Grundsatz hervorgehoben, der nicht für diesen Fall von Bedeutung ist: Wenn wegen der Natur der Tätigkeit oder der hohen Qualifikation des Dienstleisters Weisungen zur Ausübung der Tätigkeit (also insbesondere konkrete Arbeitsanweisungen) auf ein absolutes Minimum beschränkt sind, dann folgt hieraus noch nicht das Vorliegen selbständiger Tätigkeit. Für die Annahme einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung reicht es dann aus, wenn der Dienstleister in die Arbeitsorganisation des Auftraggebers eingegliedert ist. Ich zitiere folgenden Satz aus dem hier kommentierten Urteil des BSG: "Insbesondere bei Hochqualifizierten oder Spezialisierten ... ist das Weisungsrecht oftmals aufs Stärkste eingeschränkt. Dennoch kann die Dienstleistung in solchen Fällen fremdbestimmt sein, wenn sie ihr Gepräge von der Ordnung des Betriebes erhält, in deren Dienst die Arbeit verrichtet wird."

Die besondere Aussage dieser Entscheidung liegt darin, dass eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung nicht nur dann vorliegen kann, wenn (was bereits bekannt war) wegen der Qualifizierung des Dienstleisters das Weisungsrecht so stark in den Prozess der Arbeitsorganisation integriert ist, dass arbeitgebertypische Weisungen "im klassischen Sinne" nicht erteilt werden. Für mich ergibt sich der Eindruck, dass bei entsprechender Einbeziehung in die Arbeitsorganisation Arbeitsanweisungen nicht mehr erkennbar sein müssen, um eine versicherungspflichtige Beschäftigung annehmen zu können.

Als besonders wichtiges Merkmal der Einbeziehung des Piloten in die Arbeitsorganisation des Auftraggebers sah das BSG im hier vorliegenden Fall, dass dem Piloten das erforderliche Flugzeug kostenfrei zur Verfügung gestellt wurde. Hiermit drängt sich z.B. eine Parallele zum "selbständigen Kranführer" auf Baustellen auf, der für seine Dienstleistung einen vom Auftraggeber kostenfrei gestellten Kran nutzt.

Diese Entscheidung des BSG unterstreicht, dass in Grenzfällen sehr sorgfältig geprüft werden muss, ob ein als freie Dienstleistung konzipiertes Auftragsverhältnis nicht tatsächlich eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung darstellt.

 

 

 

 

Falls ein Verleiher kein Tarifvertragswerk der Zeitarbeit anwendet (iGZ oder BAP), muss er den Gleichstellungsgrundsatz gemäß § 8 Absatz 1 AÜG beachten, also seinen überlassenen Arbeitnehmern zumindest solche wesentlichen Arbeitsbedingungen gewähren, die für einen vergleichbaren Arbeitnehmer im Betrieb des Entleihers gelten (equal treatment). Wichtigste Arbeitsbedingung ist die Entlohnung (equal pay).

Bei der Überlassung von Bauarbeitern an Baubetriebe, die unter den Voraussetzungen des § 1 b AÜG zulässig ist, muss beachtet werden, dass am 14.06.2024 neue Entgelttarifverträge abgeschlossen wurden. Zwar sind diese Entgelttarifverträge im Gegensatz zum Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe (BRTV) nicht allgemeinverbindlich, gelten also nicht für sämtliche Baubetriebe. Allerdings besteht die Möglichkeit, dass ein baubetrieblicher Entleiher entweder Mitglied in einem Arbeitgeberverband des Baugewerbes ist oder mit seinen Arbeitnehmern die Geltung der Entgelttarifverträge vereinbart hat. Dann gelten als vergleichbare Arbeitsbedingungen im Sinne des Gleichstellungsgrundsatzes die in den Entgelttarifverträgen niedergelegten Gesamttarifstundenlöhne (GTL), so dass der Verleiher seinen an einen entsprechenden Baubetrieb überlassenen Arbeitnehmern zumindest diese GTL zu gewähren hat.

Als Beispiele nenne ich nachfolgend die im aktuellen Entgelttarifvertrag für Westdeutschland (TV Lohn/West) die in der Arbeitnehmerüberlassung besonders häufig einschlägigen GTL der Lohngruppen (LG) 1 (Bauhelfer), LG 2 (niedrig qualifizierte Facharbeiter) und LG 2 b (gilt nach dreimonatiger Beschäftigung in der LG 2) für das Bauhauptgewerbe:

Ab 01.05.2024:

LG 1    = 14,54 €,

LG 2    = 17,30 €,

LG 2 b = 19,58 €.

Ab 01.04.2025:

LG 1    = 15,27 €,

LG 2    = 18,03 €,

LG 2 b = 20,40 €.

Ab 01.04.2026:

LG 1    = 15,86 €,

LG 2    = 18,73 €,

LG 2 b = 21,20 €.

Hinsichtlich der GTL für sonstige Lohngruppen (z.B. für Kranführer) sowie für Ostdeutschland verweise ich auf die Entgelttabellen in den TV Lohn/West und TV Lohn/Ost. Übrigens erfolgt zum 01.04.2026 die Angleichung der Löhne im Osten an die des Westens.

Ich empfehle, bei Verhandlungen über die Überlassungsvergütung mit baugewerblichen Entleihbetrieben, die den Entgelttarifverträgen unterliegen, die aktuellen GTL zu beachten, damit die vereinbarte Überlassungsvergütung auskömmlich ist.

Die Bezeichnung "Scheinwerkvertrag" ist weit verbreitet. Gemeint ist die Konstellation, dass ein Auftraggeber eine Aufstockung seiner Belegschaft benötigt, jedoch zur Vermeidung von Arbeitgeberpflichten keine Arbeitsverträge mit neuen Mitarbeitern abschließen möchte. Stattdessen werden mit einem Nachunternehmer vermeintliche Werkverträge abgeschlossen. Der Auftragnehmer schickt dann seine Arbeitnehmer zum Auftraggeber und dieser setzt die Arbeitnehmehmer so ein, wie es ihm beliebt, er erteilt den Arbeitnehmern konkrete Arbeitsanweisungen und bestimmt deren Arbeitszeiten. Diese Konstellation ist in der Regel als illegale Arbeitnehmerüberlassung zu bewerten mit schwerwiegenden strafrechtlichen und arbeitsrechtlichen Folgen sowohl für den vermeintlichen Auftraggeber als auch für den vermeintlichen Auftragnehmer.

Mit dem aktuellen Urteil vom 30.11.2023 zum Aktenzeichen 3 StR 192/18 behandelte der Bundesgerichtshof (BGH) hingegen die Abgrenzung zwischen (illegaler) Arbeitnehmerüberlassung und Arbeitsvermittlung. Ein Unternehmen hatte als Auftraggeber einen Nachunternehmer mit der Durchführung von vermeintlichen Werkverträgen in der Fleischproduktion beauftragt. Der Nachunternehmer beauftragte dann seinerseits in Bulgarien ansässige Subunternehmer, die dann Arbeitnehmer auf dem bulgarischen Arbeitsmarkt anwarben und zur Durchführung der vermeintlichen Werkverträge nach Deutschland schickten. Auch in diesem Fall war es so, dass lediglich eine Personalaufstockung beim Auftraggeber in Deutschland erfolgen sollte und kein individualisierbarer Leistungserfolg geschuldet wurde. Hiermit war unproblematisch, dass es sich um sogenannte Scheinwerkverträge handelte.

Allerdings beurteilte der BGH die hier betreffende Fallkonstellation nicht als illegale Arbeitnehmerüberlassung, sondern als Arbeitsvermittlung, weil "die Beziehung des Arbeitnehmers zum formellen Arbeitgeber (hier die Subunternehmer in Bulgarien)  tatsächlich so inhaltsleer ist, dass dieser selbst die begrenzte Steuerungsfunktion nicht mehr erfüllt, die einem Verleiher (in der Arbeitnehmerüberlassung) als Arbeitgeber mindestens zukommt". Dies ist der Fall, "wenn der vermeintliche Entleiher (also der Auftraggeber) nicht nur die Arbeitsleistung steuert, sondern darüber hinaus den bestimmenden Einfluss auf den Bestand und die Abwicklung des Arbeitsverhältnisses hat." Im hier vorliegenden Fall entschied der vermeintliche Auftraggeber, wann die Arbeitnehmer des bulgarischen Subunternehmers Urlaub nehmen durften und welche der eingesetzten Arbeitnehmer entlassen werden sollen. Der Auftraggeber zahlte als Werklohn verkleidete Pauschalsummen an den bulgarischen Subunternehmer, der dann "als Zahlstelle" aus diesen Beträgen den Arbeitslohn an die Arbeitnehmer auszahlte.

Wenn also das arbeitsrechtliche Band zwischen den Arbeitnehmern und dem vermeintlichen Arbeitgeber besonders lose und inhaltsleer ist, dann kann es sein, dass ein Scheinwerkvertrag nicht als illegale Arbeitnehmerüberlassung qualifiziert wird, sondern als Arbeitsvermittlung. Da es sich nicht um (illegale) Arbeitnehmerüberlassung handelt, wird dann zwar nicht gemäß § 10 des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses zwischen dem Auftraggeber und den betroffenen Arbeitnehmern angeordnet. Allerdings urteilt der BGH in dem hier dargestellten Urteil, dass wegen "rechtsmissbräuchlicher Umgehung" trotzdem ein Arbeitsverhältnis anzunehmen ist. Die Annahme von Arbeitsvermittlung anstelle von (illegaler) Arbeitnehmerüberlassung hilft den beteiligten Unternehmen also weder in strafrechtlicher noch in zivilrechtlicher Hinsicht weiter.

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